Prototyping Lab mit Hamburger Medienunternehmen

Neue Technologien verändern die Medien. Studierende zeigen wie, mittels Künstlicher Intelligenz.

Das Prototyping Lab von nextMedia.Hamburg sucht Antworten auf die Frage nach der Zukunft der Medien und lässt experimentierfreudige Unternehmen mit talentierten Studierenden aus dem Hamburger Raum ein Semester lang einsetzbare Prototypen entwickeln. Nach der Premiere vor einem Jahr fokussierte das zweite Prototyping Lab den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. In interdisziplinären Teams tüftelten Studierende der Fachhochschule Wedel, der Hamburg Media School und der Universität Hamburg gemeinsam an herausfordernden Fragestellungen der Hamburger Medienhäuser N-JOY, SPIEGEL MEDIA und Bauer Media Group. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: eine Music Prediction Machine, ein Filter gegen betrügerische und unpassende Werbung und eine intelligente Rezeptdatenbank. Kürzlich wurden die entsprechenden Prototypen in einer spannenden Abschlussveranstaltung der Öffentlichkeit präsentiert, mitten drin drei Bachelor-Studenten der FH Wedel.

Den ersten Case des Abends stellte das Team N-JOY vor, das die Aufgabe hatte, der Musikredaktion mittels KI dabei zu helfen, neue Songs auszuwählen, die den Hörern des Senders mit hoher Wahrscheinlichkeit gefallen. Der Sender hatte den Studierenden hierfür Umfrageergebnisse sowie 500 bewertete Songs zur Verfügung gestellt, auf deren Basis die KI entwickelt und trainiert werden konnte. Es galt, die Musiktitel nach verschiedenen Merkmalen zu analysieren und die Wahrscheinlichkeit zu bestimmten, mit der ein Song dem durchschnittlichen Hörer des Radiosenders gefällt. Der Versuch eines solchen Zielgruppen-Targetings für das Radio stellte sich schnell als Neuland heraus. Denn derzeit gibt es keine vergleichbaren Anwendungen – weder national noch international.

Das Projekt-Team entwickelte im ersten Schritt einen Audio Analyzer, der Musiktitel nach 33 Kriterien wie Geschwindigkeit, Stimmung oder Genre untersucht und die Ergebnisse dann an eine KI-Anwendung ausspielt. Diese gleicht die Resultate mit den Umfrageergebnissen und dem bisherigen Hörverhalten und Geschmack der Zielgruppe ab, ehe das User Interface die Erkenntnisse für die Redaktion aufbereitet. Die Redakteure könnten so zukünftig bei der Auswahl von Neuerscheinungen unterstützt werden. Der menschliche Faktor solle jedoch laut N-JOY bei der Songauswahl die entscheidende Instanz bleiben. Niklas Drews, Bachelor-Student an der FH Wedel in Informatik erzählt, dass ihm insbesondere die interdisziplinäre Zusammenarbeit in diesem Team sehr viel Spaß gemacht hat. "Es war interessant zu sehen, wie meine Teampartner an die Aufgabe herangegangen sind. Durch die Zusammenarbeit konnte ich viel lernen, mich aber gleichzeitig auch gut einbringen. Meine Teampartner waren allesamt Master-Studenten. Ich hatte aber nicht das Gefühl, ihnen fachlich nachzustehen."

Das Team SPIEGEL MEDIA stellte einen Prototypen vor, der schon bald die Markensicherheit vieler Online-Produkte erhöhen könnte. Anlass der Aufgabenstellung von SPIEGEL MEDIA, Fakes in Werbemitteln zu identifizieren, ist, dass Fake-Ads, also nicht-legitimierte Werbung beispielsweise mit Prominenten oder mit Verweisen auf unseriöse Webseiten, einen großen Schaden anrichten. Betrügerische und unpassende Werbung soll mithilfe der Anwendung herausgefiltert und im GoogleAdManager automatisch blockiert werden.

Bei 2,5 Millionen Werbemitteln, die potenziell automatisiert ausgespielt werden können, liegt es auf der Hand, dass Fake Ads nicht händisch zu identifizieren sind. Um ihr Ziel zu erreichen, nutzten die Studierenden eine sogenannte Support Vector Machine, die basierend auf klassifizierten Daten Vorhersagen über den Urheber der Werbemittel trifft. Konstantin von Wendt, Student im Bachelor-Studiengang Computer Games Technology an der FH Wedel, erzählt, dass die größte Herausforderung darin lag, eine Datengrundlage zu erhalten, anhand derer man die KI trainieren kann. "Der ursprüngliche Plan war, diese über die Google API direkt aus dem genutzten GoogleAdManager zu ziehen. Diese Funktion ist aber nicht vorgesehen." Daher entwickelten die Studierenden einen Bot, der das Durchsuchen des GoogleAdManagers ermöglicht. Creative für Creative kam es so zur Verifizierung und die KI konnte anhand dieser Erkenntnisse trainiert werden. Mit großem Erfolg: Bei einer Testmenge von 2.000 Daten glänzte der Prototyp bereits mit einer Trefferquote von 95 Prozent. Auch bei fremden, größeren Datenmengen seien ähnliche Trefferquoten erreicht worden. Konstantin ist sichtlich stolz: "Wenn ich den Prototypen sehe, freue ich mich sehr über das Ergebnis. Zwischenzeitlich war nicht sicher, ob wir tatsächlich ein Ergebnis präsentieren könnten. Die Genauigkeit unseres Ergebnisses hat nun alle unsere Erwartungen übertroffen."

Auch für das dritte Medienunternehmen, die Bauer Media Group, konnte ein Prototyp fertiggestellt werden. Das Team Bauer Media Group entwickelte eine strukturierte, intelligente Datenbank, die das Archiv von Deutschlands größtem Food-Verlag, dem HOUSE OF FOOD, rückwirkend mit Metadaten versieht und so neue Suchmöglichkeiten eröffnet. Auf Grundlage von 100.000 Bildern und Rezepten hatten die Studierenden hierfür zunächst eine Reihe an Merkmalen definiert und rund 2.000 Dateien manuell getaggt, ehe ein neuronales Netz trainiert werden konnte. Dieses kann nun die vorhandenen Rezepte und Bilder nach Merkmalen wie Farbe und Zutat automatisch taggen. Darüber hinaus integrierten die jungen Entwickler eine Reverse-Searching-Funktion. Der Prototyp ermöglicht Redakteuren nicht nur das Auffinden von noch unbekannten Rezepten, sondern bietet eine Durchsuchbarkeit der Datensätze nach Kalorien oder Ernährungsformen wie vegan oder glutenfrei und kann mittels der Suchergebnisse neue Foodtrends mit dem vorhandenen Archivmaterial neu verbinden.

Das Fazit der beteiligten Unternehmen, Studierenden und Projektpartner war durchweg positiv. Der Projektverantwortliche seitens der FH Wedel, Prof. Christian-Arved Bohn, Leiter des Studiengangs Medieninformatik, gestand, dass er anfangs skeptisch war. "Unsere drei Studenten wurden doch in ein recht ungewohntes Umfeld geschubst: externe Betreuung, Projektarbeit mit Studierenden anderer Unis, eine riesige Erwartungshaltung von namhaften und großen Unternehmen. Und dann waren die Themen selbst nicht etwa schlicht Aufgaben, sondern wirkliche Problemstellungen der Unternehmen, die zudem sehr schwierig erschienen. Die Ergebnisse in der Abschlusspräsentation haben mich fast sprachlos gemacht. Scheinbar mühelos hatten sich abgestimmte Teams der verschiedensten Fachbereiche gebildet und in gerade mal drei Monaten drei Systeme entwickelt, die die Herausforderungen der Unternehmen gelöst und auf einen guten Weg gebracht haben."

Foto: Laura Müller Photography for nextMedia.Hamburg