Als Drache in einer virtuellen Welt schweben

Studierende der Medieninformatik stellen ein Praxisprojekt vor.

Auf einer Bergkuppe thronend spanne ich meine Flügel auf und setze an zu einem Rundflug. Ich hebe ab und schwebe, unter mir ein tiefes Tal. Ich bin ein Drache und halte Ausschau nach Beute. Im Tal liegt eine kleine Stadt, mit ihren Gassen und kleinen Plätzen, davor Tiere auf einer Weide. Vom Marktplatz steigt das Geschrei der Händler auf. Es herrscht ein lebendiges Treiben. Mein Blick fällt auf etwas Buntes am Horizont. Heißluftballons steigen auf. Ich beschleunige und steuere darauf zu ...

Schwindelerregend? Wir befinden uns in einem Spiel entstanden als Projekt im Studiengang Medieninformatik an der Fachhochschule Wedel. Steffen Kurt, einer der beiden Köpfe des Zweierteams „Drachenflug“, steht in der CAVE und testet die Simulation. In der CAVE, dem Cave Automatic Virtual Environment, einem Raum zur Projektion einer dreidimensionalen virtuellen Realität, können Studierende der FH Wedel, etwa in den Studiengängen Medieninformatik oder Computer Games Technology, modernste Technik und Entwicklungen hautnah erlernen und ihren eigenen Ideen freien Lauf lassen.

Die beiden Fachrichtungen der Informatik sind zwei Beispiele für stark anwendungsorientierte Studiengänge. Das Projekt von Steffen Kurt und seiner Kommilitonin Lina Yasemin Hillebrecht entstand über mehrere Semester und drei Projekt-Module hinweg. Im Projekt Medieninformatik des 5. Semesters befassten sie sich mit der 3D-Modellierung für ihr Computerspiel, im Laborprojekt im 4. Semester lag der Fokus auf der Programmierung und im Praktikum Virtual Reality im 5. Semester wurde am Steuerungskonzept gefeilt. „An dem Projekt hat mich besonders fasziniert, wie die einzelnen Komponenten zusammenfinden“, erzählt Steffen. „Am Anfang sind da nur Tracking- und Sensor-Daten, Blender-3D-Modelle und Texturen. Wir haben dann die Verknüpfungen programmiert und es kam etwas Überwältigendes dabei heraus.“

Nach und nach setzten sich also wie Puzzleteile die einzelnen Bausteine des Projekts zusammen, sodass sie gegen Ende ihres Studiums ein sehr anschauliches und sehenswertes Gesamtprojekt präsentieren können. Das Spiel wurde mit der Unity-Engine entwickelt, einer Plattform, die auch von namhaften Spielefirmen wie Blizzard, Square Enix oder Obsidian Entertainment eingesetzt wird. Der gesamte Körper des Spielers kommt in „Drachenflug“ zum Einsatz. Steffen und Lina haben an jedes Detail gedacht. Gesteuert wird der Drache über die Arme mittels Tracking-Punkten an den Händen. Das integrierte Wii Balance Board dient der Gewichtsverlagerung, sodass man sich entweder in einem steilen Sturzflug nach unten befinden oder auch sanft über die Dächer der Stadt hinweg schweben kann. Die vier 3D-Beamer projizieren die virtuelle Welt in den Raum der CAVE und das optische Tracking-System reagiert auf alle Aktionen des Spielers. So wurde etwa auch der Flügelschlag des Drachen akustisch hinterlegt. Den Flug über die Stadt erlebt der Spieler in jeder Session neu, denn mit dem Spielstart setzen sich die einzelnen Elemente der Stadt automatisch anders zusammen.

Derzeit ist das Spiel ausschließlich auf die Anwendung in der CAVE ausgelegt, allerdings ist auch eine Spielvariante mit der Oculus Rift denkbar. Lina und Steffen werden sich nun erst einmal auf den Abschluss ihres Studiums konzentrieren, aber „Es ist eine große Faszination, das Projekt wachsen zu sehen und um so mehr nachher das Ende erreicht zu haben“, zieht Lina als Fazit. „Dass die Arbeit, der Ehrgeiz und die eigenen Ideen einen so weit bringen können, macht Mut und spornt an, weiterzumachen. Im weiteren Studium, wie auch nachher im Job, gibt es vermutlich größere Herausforderungen, die mir jetzt weniger Angst machen, da ich gelernt habe, mit einer anfangs überwältigenden Situation umzugehen und Schritt für Schritt zum Ziel zu kommen.“