Christopher, Du arbeitest seit einiger Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Duke-NUS Medical School in Singapur. Wie hat es Dich nach Singapur verschlagen?
Christopher Blöcker: Anfangs war das Ganze nicht viel mehr als eine verrückte Idee. Meine Freundin hatte gerade ihren Doktor in Biomedizin abgeschlossen und wir haben dann geschaut, wo in der Welt wir Jobs finden können, die für uns beide passen. Singapur war eine der Optionen und hat sich als internationaler Forschungsstandort angeboten. Wir haben uns dann um Jobs beworben und hatten beide Glück.
Was machst Du bei Deiner Arbeit genau?
Christopher Blöcker: Grob gesagt, Data Science mit biologischen Daten. Ich arbeite am Centre for Computational Biology, also dem Zentrum für Bioinformatik. In verschiedenen Projekten analysieren wir beispielsweise genetische Mutationen und versuchen, diese mit Krankheiten in Verbindung zu bringen. Wir versuchen zu verstehen, welche Arten äußerer Einflüsse welche Arten von Mutationen hervorrufen und inwiefern diese Krebs verursachen. Ich habe im vergangenen Jahr hauptsächlich an der Vorhersage von Metastasenbildung nach Darmkrebs gearbeitet. Ein großer Teil der Arbeit beinhaltet Statistik und Machine Learning.
Hast Du Dich bereits zu FH-Zeiten für Biologie interessiert?
Christopher Blöcker: Nein, zuletzt hatte ich in der 12. Klasse Biologie, aber habe es dann abgewählt und mein Abitur in Mathe und Physik gemacht. Im Studium habe ich mich hauptsächlich für die theoretische Informatik, also formale Sprachen, Algorithmik und die Anwendung von abstrakter Algebra in der funktionalen Programmierung, aber auch für Computergrafik interessiert. Nach dem Studium wollte ich aber etwas über den Tellerrand blicken und mein Wissen aus dem Studium in einem anderen Feld anwenden.
War es schwierig, sich in einer anderen Kultur einzuleben? Oder anders gefragt: Inwieweit unterscheiden sich die beiden Kulturen? Und gibt es etwas, das Du vermisst?
Christopher Blöcker: Man kann eigentlich gar nicht von nur zwei Kulturen sprechen, denn die Bevölkerung in Singapur ist ein bunter Mix aus Chinesen, Indern, Malaysiern, Indonesiern und anderen. Jede dieser Bevölkerungsgruppen ist etwas anders, was Umgangsformen oder Traditionen angeht. Anfangs war es tatsächlich etwas schwierig, Reaktionen zu deuten und einzuschätzen, was als höflich gilt. Mit der Zeit habe ich mich aber daran gewöhnt und der Umgang mit Menschen unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes ist ganz normal geworden. In Singapur beeindruckt mich, dass Menschen so vieler verschiedener Kulturen und verschiedener Herkunft friedlich zusammenleben. Sicherlich gibt es Ausnahmen, aber weitestgehend ist es egal, woher man kommt.
Was mir aus Deutschland fehlt, sind ganz klar gutes Brot und der Wechsel der Jahreszeiten. Singapur liegt fast auf dem Äquator und das Wetter ist jeden Tag gleich: 30°C und maximale Luftfeuchtigkeit. Ein paar Mal pro Woche gibt es auch heftige tropische Gewitter.
Begegnen Dir die kulturellen Unterschiede auch bei der Arbeit?
Christopher Blöcker: Zum Teil ja. Besonders meine chinesischen Kollegen sind immer sehr korrekt wenn sie mit jemandem "höheren Ranges" sprechen und benutzen dann den korrekten Titel für die jeweilige Person. Ansonsten ist aber alles ganz normal.
Inwieweit hat Dich Dein Studium auf Deinen jetzigen Job vorbereitet? Welche Veranstaltungen haben Dir am meisten gebracht?
Christopher Blöcker: Die Programmierübungen, Software-Design und das Software-Projekt aus dem Bachelor-Studium haben mich sehr gut auf Programmieraufgaben vorbereitet. Akademische Software funktioniert häufig mal nicht, wie sie soll oder es hat einfach noch niemand eine Software für genau diese Forschungsfrage geschrieben und dann muss man selbst ran.
Die Seminare, die Computergrafik Vorlesungen und insbesondere die Kombination aus Master-Projekt und Master-Arbeit waren eine sehr gute Vorbereitung auf wissenschaftliches Arbeiten. Meine Arbeit besteht ja nun darin, Forschungsartikel zu lesen, zu verstehen und die Ergebnisse dann in darauf aufbauender Forschung anzuwenden.
Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass früher oder später der Moment kommt, in dem das Gelernte aus jeder Vorlesung nützlich ist. Statistik lauert an mehr Ecken, als man denkt und je mehr theoretisches Wissen man hat, desto einfacher ist es, sich in neue Gebiete einzuarbeiten und Parallelen zu bereits Bekanntem zu entdecken.
War für Dich schon immer klar, dass Du in der Wissenschaft arbeiten möchtest?
Christopher Blöcker: Ich glaube, das hat sich vielmehr Schritt für Schritt entwickelt. Angefangen habe ich mein Studium mit Wirtschaftsinformatik, weil ich IT-Projekte managen wollte. Der wirtschaftliche Teil hat mir aber nicht gelegen, also habe ich zur Informatik gewechselt. Ich habe mich dann mehr und mehr für die theoretischen Themen interessiert. Nachdem ich dann nach dem Bachelor-Abschluss mein erstes wissenschaftliches Paper veröffentlicht habe, war mir klar, dass ich in die Forschung möchte.
Möchtest Du vorerst in Singapur bleiben oder zieht es Dich wieder nach Deutschland?
Christopher Blöcker: Für eine Weile werde ich noch in Singapur bleiben, wie lange das genau sein wird, kann ich aber jetzt noch nicht sagen. Danach könnte ich mir vorstellen, nach Schweden zu gehen und dort meinen Doktor zu machen. Irgendwann möchte ich aber auch wieder zurück nach Deutschland.